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Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie
Chinas Chemiebranche ist wichtiger Zulieferer für neue Greentech-Bereiche und nachhaltigere Produkte. Gleichzeitig ist sie einer der größten CO2-Emittenten des Landes.
14.05.2025
Von Corinne Abele | Shanghai
Chinas petrochemische und chemische Industrie spielt eine zentrale Rolle beim Umbau von Chinas Industrie in Richtung Nachhaltigkeit. So liefert sie entscheidende Ausgangsprodukte für die Solar- und Windkraftbranche und ermöglicht durch neue Materialien Leichtbaulösungen. Zudem ermöglicht der Chemiesektor umweltverträglichere Lösungen durch biologisch abbaubare Kunststoffe und umweltverträglichere Pestizide.
So betont Chinas Umsetzungsplan für Innovation und Entwicklung der Feinchemie 2024 bis 2027 bereits die "grüne" Entwicklung dieser Sparte. Gleichzeitig zählt die petrochemische und chemische Branche mit einem Anteil von 13 Prozent an den gesamten chinesischen Emissionen von Kohlendioxid (CO2) zu den Hauptemittenten des Landes. Noch ist die Energieintensität der Branche um ein Vielfaches höher als beispielsweise in Europa.
Umgang mit Kohleverarbeitungsindustrie schwierig
So muss die Dekarbonisierung der chemischen und petrochemischen Industrie in China voranschreiten, wenn das Land sein Doppelziel – CO2-Spitze bis 2030 und Klimaneutralität 2060 – erreichen will. Bei einem nur leichten landesweiten CO2-Anstieg 2024 um 0,8 Prozent laut CarbonBrief könnte China zumindest das erste Ziel deutlich früher erreichen.
Tatsächlich ist vor allem die Kohleverarbeitungsindustrie ein Hemmschuh auf dem Weg hin zu weniger CO2-Emissionen. Wie die nationale Energiestatistik zeigt, war die chemische Industrie einer der stärksten CO2-Treiber. Die auf dem Einsatz von Kohle beruhenden CO2-Emissionen stiegen zwischen März und Dezember 2024 um 27,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
ETS bleibt vorerst ohne Petrochemie und Chemie
Vor diesem Hintergrund überrascht es daher, dass es bislang keine konkreten Umsetzungspläne gibt, den petrochemischen und chemischen Sektor in das seit Juli 2021 bestehende nationale Emissionshandelssystem (Emission Trading System; ETS) einzubeziehen. Auch der vom Umweltministerium im September 2024 erlassene Arbeitsplan, künftig die Produktion von Zement, Stahl sowie Primäraluminium im ETS einzuschließen, ist noch nicht umgesetzt. Dabei müssen Unternehmen unter CBAM ab 2026 Ausgleichszahlungen beim Import von Produkten in die EU leisten, die mit höheren CO2-Emissionen außerhalb der EU produziert werden als dies innerhalb der EU der Fall wäre. Dazu zählen auch Düngemittel, Salpetersäure, Ammoniak sowie Wasserstoff.
Zwar bleibt der petrochemische und chemische Sektor damit zwar vorläufig außerhalb des landesweiten ETS, wird jedoch innerhalb von ETS-Pilotregionen wie beispielsweise Shanghai abgedeckt. Dort trugen die verschiedenen Segmente der petrochemischen und chemischen Industrie inklusive der pharmazeutischen Herstellung 16,7 Prozent zum industriellen Produktionswert 2024 bei.
Managementsystem für CO2-Fußabdruck
Tatsächlich steht die verifizierbare Dokumentation von CO2-Emissionen in China erst am Anfang. Das Umweltministerium erarbeitet derzeit ein Footprint Management System. Bereits im Sommer 2024 haben acht Unternehmen die Chemical Industry Chain Carbon Footprint Alliance gegründet. Zu ihnen zählen unter anderem die staatlichen Konzerne China National Petroleum Corp., die China National Offshore Oil Corp. und die China Petroleum and Chemical Corp. Ziel ist es, ein Managementsystem für den CO2-Fußabdruck und entsprechende Buchhaltungsstandards zu entwickeln und einzuführen.
Grüne Wasserstoffwirtschaft im Entstehen
Mit dem Inkrafttreten des neuen Energiegesetzes am 1. Januar 2025 wird Wasserstoff (H2) in China erstmals als Energieträger eingestuft. Bereits 2021 wurde der erste mittelfristige Entwicklungsplan bis 2035 für die Wasserstoffwirtschaft verabschiedet. Langfristig soll dabei der Anteil von grünem und blauem H2 deutlich steigen. Er fungiert nicht zuletzt als Speicher für die aus Solar- und Windkraft gewonnene Energie.
Grüner (und blauer) H2 ist für die Chemieindustrie Ausgangspunkt für die Herstellung von Ammoniak sowie Methanol mit geringen oder gar keinen CO2-Emissionen. Letzteres ist wie CO2-arm hergestelltes Ethanol vor allem als grüner Treibstoff für die Schifffahrt und perspektivisch für die Luftfahrt stark gefragt. Das verfügbare Angebot deckt den prognostizierten Bedarf aber bei weitem noch nicht. Gemeinsam mit weiteren Ressorts hat das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) im Dezember 2024 einen Plan zur Förderung des Einsatzes von mit geringen CO2-Emissionen hergestellten Wasserstoffs in der Industrie erlassen.
Gewaltiger Ausbau von Solar und Wind schafft Nachfrage
China hat auch 2024 seine erneuerbaren Energien massiv ausgebaut und damit seine ursprünglich für 2030 gesetzten Ausbauziele von insgesamt 1.200 Gigawatt deutlich früher erreicht. Bei Solarenergie erhöhte China 2024 die Kapazitäten um 277 auf 887 Gigawatt und bei Windkraft um 80 auf 521 Gigawatt.
Die Chemiebranche hat sich auf den damit verbundenen Nachfragesog nach Ausgangs- und Halbleitermaterialien eingestellt. Mengenmäßig überstiegen die Ausfuhren von Polysilizium – wird für die Herstellung von Solarzellen benötigt – 2024 erstmals die Einfuhren. Allerdings ist der Sektor von Überkapazitäten und enormem Preisverfall geplagt, was ebenfalls auf die gesamte Solarbranche zutrifft. Außerdem wird kräftig in die chemische Zulieferindustrie für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus für die Elektromobilität investiert. Mit fast 13 Millionen Fahrzeugen mit alternativem Antrieb ist China mit deutlichem Abstand der größte Markt weltweit.
Staat treibt Akku-Recycling voran
Mit der steigenden Anzahl von Elektroautos wächst auch der Bedarf an Batterierecycling. China dominiert diesen Bereich weltweit mit Recyclingkapazitäten von rund 2,9 Millionen Tonnen pro Jahr. Im März 2025 wurde eine Regelung zur Einfuhr von Reststoffen aus recycelten Lithium-Ionen-Akkus öffentlich erörtert. Chinas Regierung treibt den Ausbau von Recyclingkapazitäten voran und hat dazu im Oktober 2024 in Tianjin die staatliche China Resources Recycling Group gegründet.